Die Arbeit des US-Amerikaners Thomas Brummett (*1955 in Colorado) ist wie eine spirituelle Suche. Brummett geht mittels der Fotografie der Frage nach, wie die Naturwissenschaft und insbesondere die Physik Aufschluss geben können über die wahre Beschaffenheit der Welt. Er sucht nach visuellen Manifestationen, die die komplexen Ordnungssysteme der Natur offenbaren. Zentrales Element seiner in der Ausstellung gezeigten Serien Light Projections und Infinities ist die visuelle Untersuchung der vielfältigen unendlichen Systeme, die er erforscht hat.
Nach Brummett stellt Licht als Grundlage allen Lebens und aller Energie »die Essenz der Natur in ihrer reinsten Form« dar. Gleichzeitig ist Licht auch das Wesen der Fotografie. Brummetts Bilder aus der Werkreihe Light Projections sind im wahrsten Sinne des Wortes Lichtbilder, die der Künstler als »perfektes visuelles Symbol des Unendlichen« auffasst. Für diese Serie verwendet er mit einem kameralosen und filmlosen Verfahren sogenannte Zerstreuungskreise, die durch ein Objektiv auf lichtempfindliches Fotopapier als gegenständliche, (physische) Darstellung des Lichts projiziert werden. Als ausgebildeter Keramiker und mit profunden Kenntnissen chemischer Wechselwirkungen von Metallen, unterzieht er die Aufnahmen einem speziellen, »entropischen« Dunkelkammerverfahren. Dabei wird die Ordnung der Silberatome des lichtempfindlichen Papiers aufgelöst und anschließend neu entwickelt, zusammen mit der Solarisation (einer von Man Ray und anderen in den 1920er Jahren erfunden Technik). Diesen Dunkelkammerprozess bezeichnet Brummett als eine Form der Entropie, die eine so konstante Größe wie Schwerkraft sei, weil die Silberpartikel der Fotografie physikalisch verändert und langsam zerstört werden. Brummett führt als Vergleich Anselm Kiefers Vorgehensweise an, der seine Arbeiten in Chemiebädern und elektrischem Strom dazu bringt, schnell zu altern und zu zerfallen. Seiner Kenntnis nach sind seine Light Projections »einzigartig in der Geschichte der Fotografie, weil es sich nicht um Fotogramme handelt (es werden keine Objekte auf der Oberfläche des Papiers platziert), sondern nur durch die Eigenschaften der Linsenoptik manipuliertes Licht«.
Brummetts Serie Infinities basiert auf den Light Projections. Sie sind das Gerüst für die Werkserie, die er aufgeteilt hat zwischen dem »Himmlischen« und dem »Erdgebundenen«. Für die Himmelsbilder verwendet er Aufnahmen des Hubble-Teleskops aus den Tiefen des Weltraums, die einen Rückblick auf die Zeit im Licht von Millionen Jahre alten Sternensystemen ermöglichen, die so alt sind, dass etliche bereits erloschen sein dürften. Diese Bilder des Universums überlagert er mit anderen der Natur entnommenen Motiven wie Magnolien, Schneeflocken oder in seinem Studio gezüchteten Schimmelpilzen.
Spirituell aufgeschlossen und nach ausgedehnten Asienreisen angezogen vom fernöstlichen Taoismus und der buddhistischen Kunst, will Brummett durch den Prozess des genauen Beobachtens die Welt als magisches Universum begreifbar machen. Brummetts kontemplative Beschäftigung mit den Phänomenen der Natur, verbunden mit einer über viele Jahre hinweg hochgradig entwickelten Foto- und Dunkelkammertechnik, dient der Sichtbarmachung eines vitalen Kosmos, der uns bestimmt. Der Makrokosmos wird gespiegelt im Mikrokosmos des fotografischen Papiers.
»Mein fotografischer Prozess ist ein Akt der Meditation und langanhaltenden Aufmerksamkeit, der mir im Laufe der Zeit ermöglichte, verschiedene unendliche Systeme, die sich vor unseren Augen abspielen, einzufangen und wiederzugeben. Ich versuche, die Welt in ihrer Gesamtheit zu verstehen und darzustellen. Wenn wir nur die Möglichkeit hätten, die Welt so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist, wie anders würden wir dann miteinander und mit unserem Planeten umgehen.«
Thomas Brummett wurde 1955 in Colorado, USA, geboren. Nach einem Studium der Keramik und Fotografie an der Colorado State University (BFA, 1979) und der Cranbrook Academy of Art in Michigan (MFA, 1982) ließ er sich als Fotograf in Philadelphia nieder. Von 1985 bis 2015 war er Teilzeitprofessor an der University of Pittsburgh, der University of Arts und der Temple University in Philadelphia. Aus einer christlich-episkopalen Familie kommend, fühlte er sich als junger Erwachsener durch Reisen nach Indien und Asien zum fernöstlichen Taoismus und zur buddhistischen Kunst hingezogen. Seine Arbeiten werden regelmäßig in internationalen Ausstellungen gezeigt und sind in vielen renommierten privaten und öffentlichen Sammlungen weltweit vertreten, u.a. im Museum of Fine Arts in Houston und im Philadelphia Museum of Arts. Neben zahlreichen Auszeichnungen für seine Werke hat er den International Photography Award (2004, 2009 und 2012) und den Sony World Photography Award (2014) erhalten. Der Künstler lebt und arbeitet in Philadelphia/USA.
Anlässlich der Ausstellung erscheint die Broschüre Thomas Brummett: Seeking the Infinite, mit einem Text von Christiane Stahl, (Dt./Engl.), 32 Seiten, 20 Abb., 2023, 5,- €.