Mit Claudius Schulze und Dr. Christiane Stahl (Direktorin Alfred Ehrhardt Stiftung)
Aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen muss die Veranstaltung leider abgesagt werden.
Mit Claudius Schulze und Dr. Christiane Stahl (Direktorin Alfred Ehrhardt Stiftung)
Aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen muss die Veranstaltung leider abgesagt werden.
Heute sind bis zu 50 Prozent aller Tierarten vom Aussterben bedroht. Gleichzeitig skizzieren führende Entwicklerinnen und Philosophen bereits eine bio- und geotechnische Zukunft, in der Maschinen ein eigenes Bewusstsein entwickeln. Was wie getrennte Entwicklungen von Natur und IT aussehen mag, ist doch die Konsequenz der Handlungen der einen Spezies, die den Planeten dominiert: Homo Sapiens.
Mittels großformatiger Fotografien, 3D-Scans, Animationen, Tierpräparaten, Mikroskop-Aufnahmen und einer eigenen Künstlichen Intelligenz fordert der Künstler Claudius Schulze die Besucher*innen auf, die Zukunft unserer Biosphäre zu reflektieren.
In seiner Lecture Performance zeigt er Fotografien und einen toten Vogel, spielt er eine Schallplatte aus den 1980er Jahren der staatlich-bayrischen Naturerziehung mit Gesang von »heimischen Vögeln«, die mittlerweile zu erheblichen Teilen hier ausgestorben sind, und lässt eine Vogeldrohne fliegen. Seine Performance setzt die Zusammenhänge von Artensterben, Klimawandel, Bionik und künstlicher Intelligenz in ein vielschichtiges Verhältnis.
Im Rahmen des EMOP Berlin – European Month of Photography 2020.
Eintritt frei. Die Veranstaltung findet unter Vorbehalt statt, entsprechend der behördlichen Auflagen. Wir bitten um Voranmeldung unter: info@aestiftung.de.
Aus Krankheitsgründen müssen wir die Veranstaltung leider absagen!
Podiumsdiskussion zum Thema Artensterben und Artificial Intelligence mit dem Künstler Claudius Schulze, PD Dr. rer. nat. Sandra Junglen (Virologin, Charité) und Prof. Dr. Ralph Hertwig (Kognitionspsychologe, Direktor des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin), Moderation: Fritz Habekuß (Wissenschaftsredakteur DIE ZEIT und Autor von Über Leben Zukunftsfrage Artensterben: Wie wir die Ökokrise überwinden, Penguin Verlag 2020).
Der Künstler Claudius Schulze lädt zwei Wissenschaftler in seine Ausstellung ein: den Psychologen Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität des Max-Planck-Instituts und die Virologin PD Dr. rer. nat. Sandra Junglen, Leiterin der Forschungsgruppe »Ökologie neuartiger Arboviren« an der Charité. An diesem Abend gehen sie gemeinsam großen Fragen nach: Wie hängt der Verlust von Lebensraum, Artensterben und Klimawandel mit dem Auftreten neuartiger Krankheitserreger zusammen? Warum fällt es uns – trotz allen Wissens über den Klimawandel – so schwer, auf die Erkenntnis Taten folgen zu lassen? Der Autor und Redakteur Fritz Habekuß wird den Abend moderieren.
Im Rahmen des EMOP Berlin – European Month of Photography 2020.
Die Foto-Restauratorin Rosa Russo arbeitet seit sieben Jahren an der Konservierung und Restaurierung der Fotografien von Alfred Ehrhardt, die Glas als transparenten Träger für die bildgebende Fotoschicht haben. Es handelt sich hierbei um ca. 1.000 Glasplatten-Negative (S/W-Silbergelatine-Trockenplatten) und großformatige S/W Silbergelatine-Glasdia-Positive.
Der Vortrag »Arbeit am Verborgenen« erläutert das historische fotografische Verfahren auf Glas (ca. 1850–1950), beschreibt und zeigt den vorgefunden Zustand der Glasplatten aus den 1930/40er Jahren und berichtet über die Maßnahmen, die für den langfristigen Erhalt nach dem aktuellen Stand der Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften durchgeführt worden sind. Anhand der im Vortrag vor Originalen vorgestellten Zustandsbilder werden die Arbeitsweise des Fotografen, die Spuren des Gebrauchs, die bisherige Aufbewahrung und die materialbedingten Alterungserscheinungen verdeutlicht, wie Retuschen, Oberflächenschmutz, Verfärbungen, Silberspiegel, Fingerabdrücke, Ablösung von Fotoschichten, Glaskorrosion und Glasbrüche.
Der Vortrag zeigt fotografische Arbeiten, die sich in einem ruhenden Archiv befinden und als Original für die Öffentlichkeit selten sichtbar sind. Er gewährt Einblick in die Materialität der Fotografien, erläutert die im Hintergrund stets stattfindenden natürlichen Alterungsprozesse und behandelt die Frage nach dem Zustand der betroffenen Originale auf Glas sowie ihre bestmögliche Bewahrung für die Zukunft.
Rosa Russo hat ihre Ausbildung als Fotografin am Lette-Verein 1995 abgeschlossen. Es folgten Berufsjahre als freischaffende Fotografin, Kunsthändlerin und Foto-Laborantin für S/W und Farbe, bevor sie das Hochschul-Studium der Konservierung und Restaurierung für Fotografisches und Audiovisuelles Kulturgut an der HTW Berlin im Jahr 2014 absolvierte.
Eintritt frei. Die Veranstaltung findet unter Vorbehalt statt, entsprechend der behördlichen Auflagen. Die Veranstaltung ist bereits ausgebucht. Für einen Platz auf der Warteliste bitten wir um Voranmeldung unter: info@aestiftung.de.
Seit mehreren Jahren interpretiert Isabelle Le Minh in ihrer Werkgruppe After Photography die Arbeiten von Meistern der Fotografie neu, wobei sie deren ästhetische Grundlagen und Arbeitsprozesse, aber auch deren Rolle in unserer Kultur des Sehens hervorhebt. After Henri Cartier-Bresson: Trop tôt trop tard, After Hiroshi Sugimoto: Darkroomscapes, After Bernd et Hilla Becher: Objektiv sind Variationen dieser Arbeit – nun ist der Vertreter der Neuen Sachlichkeit, dessen Archiv von der Alfred Ehrhardt Stiftung aufbewahrt wird, mit seinen Kristall- und Mineralienaufnahmen auch Teil dieses Korpus.
Le Minh hat im Rahmen ihres Ingenieurstudiums Kristallografie und Materialwissenschaft studiert und sich bereits in einer früheren Arbeit (Lointain si proche, made in China, After Alighiero e Boetti, 2012) mit Kristallen auseinandergesetzt. In ihren zwei neuen Serien Kristallklar und Cristallogrammes spielt sie mit der täuschenden Natur der Fotografie und der häufig mit Ehrhardts Arbeiten verbundenen Frage nach der Objektivität.
Im Gespräch mit Florian Ebner, Leiter der Fotografie-Abteilung des Centre Pompidou in Paris und Co-Autor der 2019 erschienenen Monografie Le Minhs, und Sonia Voss, Kuratorin der Ausstellung, wird Isabelle Le Minh über die Arbeit im Umgang mit dem Archiv der Alfred Ehrhardt Stiftung und über ihre neuen Serien im Kontext ihres Korpus After Photography sprechen.
Eintritt frei. Die Veranstaltung findet unter Vorbehalt statt, entsprechend der behördlichen Auflagen. Wir bitten um Voranmeldung unter: info@aestiftung.de.
Musikalische Begleitung der in 4-K neu digitalisierten Experimental-Filme von Alfred Ehrhardt Spiel der Spiralen (1951, SW, 10 min.), Tanz der Muscheln (1956, SW, 10 min), Gletscher und ihre Ströme (1962, Farbe, 10 min.) sowie Korallen – Skulpturen der Meere (1964, 12 min.) von Nicole Heartseeker (Piano) und Jazz-Musiker Mulo Francel (Saxophone, Klarinette, Oboe).
Wie ist die Verbindung zwischen Bild und Musik? Ist es möglich Musik zu visualisieren? Alfred Ehrhardt träumte als Bauhaus-Vertreter von einem Kunstwerk der Gesamtheit, in der Mitte der Rhythmus, die Synthese war das Ziel.
Musik und Kunst verbindet eine lange Geschichte der gegenseitigen Inspiration. Rhythmisches Geschehen kann man sehen, etwa wenn auf Bildern dunkle auf helle Farbflächen antworten, oder wenn ein bestimmtes Formelement auf einer Leinwand anwächst und wieder verschwindet. Man kann einen Rhythmus hören, im korrespondierenden Wechsel musikalischer Stimmen, und man kann ihn im Raum wahrnehmen, so in der harmonischen Bewegung eines Flusses. Rhythmus ist das Regelmaß und das Aufbrechen dieses Regelmaßes. Zu der viel bewunderten Kunst eines J.S. Bachs gehört nicht zuletzt die rhythmische Vielfalt seiner Kompositionen, das breite Spektrum rhythmischer Charaktere. Im Jazz bildet der Rhythmus sogar das Fundament, er ist eine Verbindung, eine gegenseitige Inspiration.
Das Duo Mulo Francel und Nicole Heartseeker lotet Grenzbereiche zwischen Jazz und Klassik aus. Das Duo führt ihre beiden vermeintlich so unterschiedlichen Musikrichtungen in experimenteller und improvisatorischer Arbeitsweise zusammen und schlägt eine musikalische Brücke. Dabei lassen sie sich treiben und faszinieren von den abstrakt komponierten Filmen Alfred Ehrhardts. Gemeinsam werden Stile gemischt, neue Klangbilder erschaffen, schwebend in Zeit und Raum – die Filmkunst verwebt sich mit der Musik zu einem Gesamterlebnis. Nicole Heartseeker hat ihre musikalischen Wurzeln in der Welt Johann Sebastian Bachs und Max Regers hoher Orgelkunst. Mulo Francel ist als Saxophonist und Komponist im Grenzbereich zwischen Jazz, Klassik und Weltmusik tätig. Er ist mehrfacher ECHO-Preisträger. Das Magazin Kulturnews schrieb ihm den »derzeit sinnlichsten Saxophonsound Europas« zu.
Dr. Marie Christine Jádi: Unser Künstlergespräch, das für Mitte März geplant war, mussten wir kurzfristig aufgrund der Corona-Krise absagen. Glücklicherweise konnten wir aber die Ausstellung Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie bis zum 21. Juni verlängern und haben so die Möglichkeit, unser Gespräch als Unterhaltung jetzt nachzuholen. Wie erlebst du die aktuelle Zeit gerade? Was hat sich für dich als Künstler geändert und worüber warst du vielleicht sogar überrascht?
Thomas Wrede: Der Stillstand wirkte am Anfang sehr unwirklich. »Das kann doch nicht wahr sein«, hörte ich sehr oft. Als Künstler bin ich meiner Arbeit im Atelier nachgegangen. Es war zum Teil gar nicht so anders als sonst, da ich mich im Atelier gut auf meine Tätigkeit konzentrieren kann. Doch dann schlich sich langsam eine Lähmung in die alltägliche Arbeit, da ich mehr und mehr mit der Schließung und der Absage von Veranstaltungen, Ausstellungen und Messen beschäftigt war. Ich spürte, was ich ja eigentlich wusste, wie sehr die Begegnungen und der direkte, persönliche Austausch besonders auch in der Kunst von Bedeutung sind. Gleichzeitig waren wir an der Kunsthochschule in Essen mit der Umstrukturierung der Lehre beschäftigt.
Ich kann mir vorstellen, dass so eine Zeit der Isolierung auch neue Aspekte oder Ideen hervorbringt und ganz allgemein unsere Wahrnehmung schärft. In deiner künstlerischen Arbeit beschäftigst du dich immer wieder mit Fragen unserer Wahrnehmung, wie beispielsweise in den Reihen Magic Worlds, Domestic Landscapes, Small Worlds oder Real Landscapes. Welche Aspekte haben deine Werkgenese geleitet? Und wie hat sich deine eigene Wahrnehmung dabei verändert? Nimmst du deine Außenwelt mit dem Blick durch die Kamera wahr, immer auf der Suche nach einer idealen Inszenierung deiner Miniaturen?
Ein Ausgangspunkt meiner fotografischen Arbeiten ist immer wieder die Reflexion der Sehnsucht nach Natur und die Frage nach ihrer medialen Vermittlung. Diese fotografische Reflexion findet im Spannungsfeld von Inszenierung und Wirklichkeit oder auch von Fiktion und Realität statt.
So untersuche ich in Magic Worlds (1997) die Inszenierung deutscher Freizeitpark-Landschaften. Hier schrumpfen die internationalen Sehenswürdigkeiten und »Postkarten-Landschaften« auf engsten Raum zusammen. Es entsteht ein sehr schräges Konglomerat an Attraktionen mit sehr unstimmigen Proportionen. Auf einmal steht die Freiheitsstatue neben dem Schwarzwaldhaus, die skandinavische Fjordlandschaft findet man in Süddeutschland. Und der eigentliche Sinn dieser Welten ist, die Kulisse für die Achterbahnfahrten zu bilden. Ich habe diese Parks ohne Menschen und aus einer leicht erhöhten Perspektive fotografiert, um das Modellhafte zu betonen.
In der Serie Domestic Landscapes (2001) sind die Sehnsuchtsbilder von Fototapeten in deutschen Wohnungen mein fotografisches Thema. Hier habe ich Ausschnitte von den Bildtapeten so fotografiert, dass man zugleich das Mobiliar und andere Gegenstände sieht.
Diese beiden Serien sind sehr dokumentarisch angelegt. Im Gegensatz zu den »Real Landscapes« habe ich keine Eingriffe vorgenommen. Die Inszenierungen sind von anderen vorgenommen worden und sind so Ausdruck allgemeiner und persönlicher Sehnsüchte und Wünsche. Sie zeigen eine collagenhafte Welt. Durch die Perspektive meiner Kamera verstärke ich diese Sicht natürlich. Die Wirklichkeit wird zu einer Frage der Perspektive – meiner Perspektive durch das Objektiv. Diesen Ansatz habe ich in den Real Landscapes weiterverfolgt und ausgearbeitet. Hier setze ich kleine Spielzeugmodelle aus der Welt der Modelleisenbahn in die reale Landschaft, sodass eine Pfütze zum See und ein Erdhaufen zum Berg werden. Ich suche weite, leere Landschaften am Meer oder in Sandgruben auf, wo ich gezielt die landschaftlichen Strukturen für meine Inszenierungen nutze oder mich für neue Motive anregen lassen kann. Es ist schon erstaunlich, wie die kleinen Mikrostrukturen der großen Landschaft ähneln.
In der Ausstellung Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie sind momentan drei deiner Arbeiten aus der Serie Real Landscapes zu sehen. Sie sind so fotografiert, wie du es gerade geschildert hast, dass die Proportionen sich verschieben und der Eindruck einer wirklichen Szenerie entsteht. Als Betrachter lässt man sich gerne auf dieses Vexierspiel der eigenen Wahrnehmung ein, bei dem sich die Grenzen von Modell und Natur, Makro- und Mikrokosmos, Wirklichkeit und Künstlichkeit auflösen. Ist auch deine Arbeit mit einer gewissen Lust am Schein und Täuschen verbunden? Was genau reizt dich an den Möglichkeiten des Modells? Und welche Rolle spielt Ironie dabei?
Sicherlich, die Lust mit dem Spiel von Schein und Sein spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Es ist aber auch die Verwunderung, wie sich die Welt durch eine andere Sicht verwandelt. Das Motiv der Täuschung liegt mir nicht so nahe. Denn die Illusion ist ja nicht perfekt. Auf den zweiten oder dritten Blick sieht man, dass es einfache Spielzeugmodelle sind. Einigen Besuchern kommen diese Modelle sogar bekannt vor. Schließlich fällt Ihnen ein, dass das abgebildete Haus, die Brücke oder die Plastikbäumchen auf ihrer Modelleisenbahn stehen. Oder es kommen ihnen Erinnerungen aus ihrer Kindheit. Und das ist ein wichtiger, emotionaler Aspekt, der durchaus beabsichtigt ist. Ich nehme aus diesem Grund diese »Archetypen«, die sehr klischeehaft ein alpines Haus oder ein Hochhaus darstellen. Und hier kommt natürlich auch ein kleines, ironisches Augenzwinkern dazu. Der Betrachter kann entscheiden, ob er sich der Analyse der »Fehler« im Bild oder dem Bild als solches hingibt. Im Falle der Real Landscapes ist ein Bild gelungen, wenn es trotz der Kenntnis und dem Sehen der Inszenierung als Bild »funktioniert«.
Die Frage nach dem Bild, das Zitieren von Bildern und Motiven, die es in der Medien- und Kunstwelt gibt, ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den ich auch schon in den früheren Serien verfolgt habe. Einige der künstlichen Freizeitparklandschaften in der Serie Magic Worlds (1996) sind dreidimensionale Bilder. So dienten die Zeichnungen aus den Comicheften als Vorlage für die schrägen Kakteen- und Berglandschaften. Hier war zuerst das Bild und danach wurde die Landschaft gebaut.
Bei vielen der Real Landscapes spielt das Modell zwar eine sehr wichtige Rolle, doch die Landschaft hat mindestens die gleiche Bedeutung. Diese Bilder sind genauso Landschaftsfotografie wie Modellfotografie. Es ist mir wichtig, in die Welt hinauszugehen und mich der Landschaft mit ihrer spezifischen Licht- und Wettersituation auszusetzen und anregen zu lassen, um dann mit geringen und simplen Mitteln neue Bildwelten zu schaffen, die sich zwischen Idylle und Katastrophe bewegen.
Auch wenn du, wie du sagst, mit simplen Mitteln arbeitest, bestechen deine Bilder ob ihrer Perfektion, der ein langwieriger Arbeitsprozess vorangegangen zu sein scheint. Wie genau entstehen deine Bilder? Wie sehen deine einzelnen Arbeitsschritte aus? Gab es auch mal einen Moment, in dem dir das Bild entglitten ist und etwas völlig anderes herausgekommen ist als du es ursprünglich geplant hast?
Wie gesagt, meine Bildideen greife ich aus der Medien- und Kunstwelt auf und ergänze sie mit persönlichen Bildern. Es ist natürlich so, dass umfangreiche Modelle eine wesentlich größere und genauere Vorbereitung benötigen als ein einzelnes Häuschen, welches auch sehr spontan an verschiedenen Orten hingesetzt werden kann.
So ist das Bild Nach der Flut auf Grundlage zahlreicher Pressebilder vom Tsunami 2004 entstanden. Wie bei vielen der Real Landscapes stehen am Anfang einige Zeichnungen und Collagen, um meine Bildidee weiter zu entwickeln. Danach werden passende Modelle gesucht und meistens gebraucht erworben. Sie werden im Atelier arrangiert, um erste Fotoskizzen anzufertigen. Dann stellt sich oft die Frage, was benötige ich noch an weiteren Requisiten oder was kann ich weglassen. Für mich ist es nicht erheblich, jedes Detail exakt darzustellen. Ich setze einzelne Zeichen, die etwas andeuten. Bei dem Motiv Nach der Flut habe ich neben den Modellhäusern fast nur gefärbte Streichhölzer eingesetzt (ca. 10.000 Stück).
Dann geht es auf die Suche nach einer passenden Location. Da ich inzwischen die Nordseestrände sehr gut kenne, hatte ich für das Flutmotiv schon einen passenden Strandabschnitt auf Amrum im Sinn. Wie bei jeder Landschaftsfotografie, musste ich vor Ort die richtigen Licht- und Wettersituation abpassen. Ich musste auch verschiedene Testaufnahmen machen, um eine passende Perspektive für den Vorder- und Hintergrund zu finden. Für den Aufbau, der sich an den landschaftlichen Strukturen orientiert, benötige bei solch einem aufwendigen Model drei bis vier Stunden. Allerdings fotografierte ich die Aufnahme mit meiner analogen Plattenkamera mehrfach, da das Wetter bei der ersten Aufnahme zu regnerisch und zu windig geworden war.
Es sind natürlich einige Projekte nicht gelungen, da ich keinen richtigen Ort für das Modell gefunden habe oder weil das Wetter nicht mitgespielt hat. Auf der anderen Seite sind aber auch einige nicht geplante, spannende Bilder entstanden, wie beispielsweise Tertiärtal (2008), bei dem ein Gewitter mit einer dramatischen Lichtsituation aufgezogen war. Oder es gab auf einmal sehr viel Wind beim Wohnwagen am Feuer (2005), sodass das Feuer deutlich größer und dramtischer geworden ist.
Du hast vorhin erwähnt, dass die Natur in Form der Landschaft ein wiederkehrendes Thema in deinen Arbeiten ist. Was bedeutet Landschaft für dich? Wie hat sich der Begriff von Natur für dich verändert – auch im Hinblick auf die sich zuspitzende Klima-Krise? Hat Natur in deiner aktuellen Arbeit vielleicht eine ganz andere Bedeutung als noch in den früheren Bildern der 1990er-Jahre?
Landschaft ist ein sehr offener Begriff. Es gibt keine einheitliche Definition. Es gibt die natürliche Landschaft, die Kultur-, die Industrie- und Stadtlandschaft, um nur einige Beispiele zu geben. Landschaft kann ein Ausschnitt aus der Erdoberfläche sein, ein Raum, eine Gegend, die uns umgibt. Wir essen und atmen Landschaft. Wir sind ein Teil davon. Von daher war und ist es mein Bestreben, gut mit ihr umzugehen.
Landschaft ist somit auch immer ein Konstrukt, an dem ich mich als Künstler mit meinen Fragen nach Inszenierung und Wirklichkeit, nach Künstlichkeit und Natur gerne reibe. In meinen frühen Schwarzweißfotografien habe ich mit natürlichem und mit dem vorgefundenen Material in der Landschaft gearbeitet. Doch es kam auch sehr schnell der kritische Blick, wo die Zerstörung und die Vermüllung durch Plastikfolien ein Thema wurde. In den 1990er-Jahren habe ich Bilder von einer Deponie für alte Agrarfolien gemacht, die sich wild und meterhoch auf der dänischen Insel Samsö angesammelt hatten (Werkgruppe Samsö, 1991-95).
Die Konfrontation von Natur und Kultur zeigt sich in den großformatigen Schwarzweißbildern meiner Serie Die Vögel stehen in der Luft und schreien (1994). Sie zeigen Staubabdrücke eines Vogelschlags, also die Spuren, die Vögel beim Aufprall auf Fensterscheiben hinterlassen haben. Da ich das Thema nach wie vor aktuell finde, habe ich es in den letzten Jahren wieder aufgegriffen. Diese »Vogelbilder« werden in der kommenden Ausstellung in der Kunsthalle Emden präsentiert (wild/schön. Tiere in der Kunst, 30.01.–06.06.2021).
In den letzten 20 Jahren war mein Blick auf die Landschaft etwas distanzierter und reflektierter. Ich befragte die künstlichen Landschaften in den Freizeitparks und untersuchte die Sehnsuchtsbilder von Fototapeten. Schließlich inszenierte ich meine Bilder selbst mit Modellen in der realen Landschaft. In meiner Fotografie bewege ich mich stetig auf der Achse von Dokumentation und Inszenierung.
All diese Aspekte spiegeln sich in der aktuellen Serie über das »ewige« Eis der alpinen Gletscher und Schneefelder wider. Als ich 2017 mit dieser Serie am Rhonegletscher begann suchte ich nach einem Motiv, welches den Klimawandel in Europa sichtbar werden lässt. Zu diesem Zeitpunkt war die Klimabewegung in ihrer heutigen Dimension noch weit entfernt. Meine ersten Motive fand ich in und auf der Eisgrotte des Rhonegletschers. Um die Eishöhle vor dem schnellen Abschmelzen zu schützen, verpackt man sie schon seit Jahren mit einem Kunststoffvlies. Durch die Erosion wird dieses Vlies immer wieder zerstört und muss erneuert werden, sodass sich mittlerweile mehrere Schichten auf dem Eis befinden. Den dunklen Außenaufnahmen habe ich Innenaufnahmen nicht nur von dem bläulich schimmernden Eis, sondern auch von dem schmelzenden Eis gegenübergestellt. Dafür bin ich unter das hauchdünne, löcherige Eis geklettert, um die durchhängenden Tücher zu fotografieren. Innen und außen verbinden sich. Diese verpackte Landschaft mit seinem 300–400 Jahre altem Eis ist eine große Inszenierung. Denn auch die Eishöhle wird seit über hundert Jahren als Touristenattraktion immer wieder künstlich angelegt.
Lieber Thomas, wir danken Dir sehr für Deine Zeit und die spannenden Einblicke in Deine Arbeit. Da wir hier nicht alle der angesprochenen Arbeiten zeigen können, verweisen wir gerne auf Deine Webseite.
Mit Dr. Marie Christine Jádi, Kuratorin
Was ist echt und was ist falsch? Welche Wahrheit meinen wir zu erkennen? Oder ist doch alles nur ein Schwindel? Diese Fragen, die die Fotografie seit ihren Anfängen begleiten und in der heutigen Medienkultur prononcierter sind denn je, stehen im Zentrum der Ausstellung. Als wahre Meister der Illusion erzeugen die Künstler*innen Miniaturen von Fantasieorten, Meeres-, Schnee- und Gebirgslandschaften, urbanen Räumen oder Naturgewalten. Das Modellhafte verschwindet im Medium der Fotografie zunehmend und nicht selten entsteht der Eindruck einer täuschend echten Naturabbildung.
Die Kuratorin Dr. Marie Christine Jádi führt durch die Ausstellung und geht näher auf die Entstehungsweisen der Fotografien ein. Allen Arbeiten gemeinsam ist ein Moment der Täuschung, in dem die vermeintliche Realität ins Künstliche kippt und wir im wahrsten Sinne des Wortes enttäuscht werden. Zum anderen beeindruckt das schöpferische Potenzial: Die Künstler schaffen nicht bloß ein Abbild der Natur, sondern sie werden selbst zum Schöpfer. Ihre Modelle erzeugen eine Parallelwelt, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, die wir erkunden, hinterfragen oder einfach bestaunen können.
Mit Dr. Marie Christine Jádi, Kuratorin
Was ist echt und was ist falsch? Welche Wahrheit meinen wir zu erkennen? Oder ist doch alles nur ein Schwindel? Diese Fragen, die die Fotografie seit ihren Anfängen begleiten und in der heutigen Medienkultur prononcierter sind denn je, stehen im Zentrum der Ausstellung. Als wahre Meister der Illusion erzeugen die Künstler*innen Miniaturen von Fantasieorten, Meeres-, Schnee- und Gebirgslandschaften, urbanen Räumen oder Naturgewalten. Das Modellhafte verschwindet im Medium der Fotografie zunehmend und nicht selten entsteht der Eindruck einer täuschend echten Naturabbildung.
Die Kuratorin Dr. Marie Christine Jádi führt durch die Ausstellung und geht näher auf die Entstehungsweisen der Fotografien ein. Allen Arbeiten gemeinsam ist ein Moment der Täuschung, in dem die vermeintliche Realität ins Künstliche kippt und wir im wahrsten Sinne des Wortes enttäuscht werden. Zum anderen beeindruckt das schöpferische Potenzial: Die Künstler schaffen nicht bloß ein Abbild der Natur, sondern sie werden selbst zum Schöpfer. Ihre Modelle erzeugen eine Parallelwelt, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, die wir erkunden, hinterfragen oder einfach bestaunen können.
Eintritt frei. Wir bitten um Voranmeldung per E-Mail.