Bislang hat sich die Alfred Ehrhardt Stiftung auf die Medien Fotografie und Film konzentriert. Nun wird mit der Ausstellung von Herta Müller erstmals das mediale Spektrum für die Malerei geöffnet und der Dialog mit Alfred Ehrhardts Werk erweitert. Denn wenig bekannt ist: Ehrhardt war vom Dessauer Bauhaus geprägter Maler und Kunstpädagoge, bevor er nach der Entlassung aus dem Hochschuldienst durch die Nazis Fotograf und Filmemacher wurde.
Die Malerin Herta Müller (*1955) lebt und arbeitet in Berlin sowie in der Nähe von Loro Ciuffena in den toskanischen Bergen. Ihr Haus liegt inmitten der Natur, deren Bestandteile sie intensiv studiert. Fasziniert von den Farben des mediterranen Lichts, gilt ihr besonderes Augenmerk den Spiegelungen im Wasser des Bergflusses Ciuffena.
Für ihre Beobachtungen bedient sie sich unzähliger, über die Jahre vor Ort angefertigter fotografischer Notizen, die keine künstlerischen Arbeiten darstellen, sondern die sie als Erinnerungsstütze wie Werkzeuge einsetzt. Die Fotografie übersetzt dreidimensionale Naturdetails in zweidimensionale Linien, Flächen und Leerräume und bietet direktere bildnerische Lösungen als eine von Hand gefertigte Zeichnung, die immer bereits ein Stück Interpretation liefert.
Herta Müllers Arbeiten lassen ihren Ursprung im Formenvokabular der Natur erahnen, aber ihre abstrakten Lineaturen, Flächen und Leerräume sind eher wie Botschaften aus Zeichen und Symbolen. Sie entsprechen implizit dem Gesehenen und Erlebten, ohne explizit im Gegenständlichen zu verharren. Ihre Werke sind »Ausdruck eines transzendenten Blickes, der die uns umgebenden Dinge geistig aufzuheben versteht und in einer Linie den ganzen Reichtum der Welt sichtbar werden läßt.« (Eugen Blume).
Bezeichnenderweise arbeitet die Künstlerin nicht vor der Natur. Im Atelier, in Italien wie in Berlin, schöpft sie aus ihren realen Erlebnissen in der Natur, wo sie zurück geht in jenes Paradies, aus dem uns der Geist vertrieben hat. Die langjährige Seherfahrung der Künstlerin, aber auch das Hören, Riechen und Fühlen einer mit allen Sinnen empfundenen Natur sprudeln aus ihren Gemälden hervor. Man vermeint, aus ihren naturhaften Abbildern das sanfte Glucksen des Wassers zu hören und dessen kühlende Wirkung zu spüren.
Die Motivation für ihre ästhetische Auseinandersetzung mit der Natur sieht Herta Müller mit John Bergers Analyse beschrieben: »Alle Ausdrucksformen der Kunst haben sich aus dem Versuch entwickelt, das Augenblickliche in das Immerwährende umzuwandeln. Die Kunst geht davon aus, dass Schönheit nicht die Ausnahme ist – nicht ein trotzdem – , sondern die Grundlage für eine Ordnung.«
Einem kunstinteressierten Publikum ist Herta Müller durch ihre jahrelange Zusammen-arbeit mit der Galerie Georg Nothelfer und durch ihre Gastprofessur an der UdK bekannt.
Kuratiert von Dr. Christiane Stahl, Direktorin der Alfred Ehrhardt Stiftung