Der Fotograf und Filmemacher Alfred Ehrhardt (1901–1984) gründete 1948 mit Unterstützung der britischen Besatzungsbehörden in Hamburg seine eigene Kulturfilmproduktionsgesellschaft. Sein erstes Nachkriegsschaffen widmete sich kunsthistorisch bedeutsamen Werken und Künstlern, so etwa sein Film über den Bordesholmer Altar in Schleswig, der zweiteilige Kulturfilm über Leben und Oeuvre des deutschen Bildhauers, Zeichners und Schriftstellers Ernst Barlach (1870–1938). 1954 drehte er gemeinsam mit seinem Assistenten Wolfgang Treu den Dokumentarfilm Begnadete Hände: Tilman Riemenschneider, seine Zeit, sein Leben, sein Werk über den berühmten deutschen Bildschnitzer am Übergang von der Spätgotik zur Renaissance um 1500.
Mit Musikstücken aus dem 15. und 16. Jahrhundert unterlegt, stellt er bekannte und weniger bekannte Retabeln und Heiligenfiguren von Riemenschneider, die sich in Würzburg, den kleinen Ortschaften im fränkischen Umland sowie in einigen deutschen Museen befinden, vor. Ehrhardt trug die Verantwortung für Buch, Regie, Kamera und Schnitt. Im Herbst 1955 kam der 77-minütige, abendfüllende Schwarz-Weiß-Film in die deutschen Kinos.
Wie der Untertitel des Films impliziert, besteht er aus drei Teilen: er behandelt zunächst Riemenschneiders Zeit, dann sein Leben und schließlich sein Werk. Der dritte Teil des Films hebt sich deutlich von den vorangegangenen ab. Während in den ersten beiden Abschnitten der Dichter Manfred Hausmann die historischen und biografischen Hintergründe Tilman Riemenschneiders erläutert, kommt der dritte Teil ohne Kommentar, nur mit biblischen Zitaten versehen, knapp und prägnant aus. Darin werden die reifen Werke Riemenschneiders abgehandelt, wie der Marienaltar in der Herrgottskirche zu Creglingen, das Heiligblut-Retabel in der St. Jakobs-Kirche zu Rothenburg ob der Tauber, dem Kreuzigungsaltar in der St.-Peter-und-Pauls-Kirche in Detwang und der Beweinung Christi in der St. Afra-Kirche in Maidbronn. Mit wirkungsvoller Ausleuchtung kommen diese Arbeiten des Bildschnitzers szenisch zur Geltung.
»[Der Film] versucht die große, überzeitliche Kunst Tilman Riemenschneiders durch Bild, Text, Bibelwort, alter Instrumental- und Chormusik dem heutigen Menschen nahezubringen«, so formulierte Alfred Ehrhardt 1955.
»… Wirkungsvoll ausgeleuchtet und großartig fotografiert werden die herrlichen Werke vorgestellt. Es ist das Verdienst Alfred Ehrhardts, …, hier einen Dokumentarfilm geschaffen zu haben, der dem Wirken und der Person Tilman Riemenschneiders gewidmet, dank seiner künstlerischen wie auch volkstümlich gehaltenen Aussage nicht nur von einem speziell kunstinteressierten Publikum frequentiert wird. Man spürt die fundierte Sachkenntnis, die Hingabe an die Arbeit, das Verständnis für die Kunst und die meisterliche Beherrschung der filmischen Ausdrucksmittel, mit denen Alfred Ehrhardt diesen Film zu einem Meisterwerk machte.« Diesen Text veröffentlichte die Fachzeitschrift FILM-Echo.
Ehrhardts Film erhielt durch den damaligen Bundesminister des Innern, Dr. Gerhard Schröder, eine Auszeichnung vom Prämienausschuss zur Vergebung von Kulturfilmen und wurde mit einem Preisgeld von 5.000,- DM bedacht. Im gleichen Jahr 1955 wurde ihm von der Filmbewertungsstelle der Länder der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden, nur das Prädikat „wertvoll“ verliehen. Obwohl Ehrhardt mehrfach mit der Filmbewertungsstelle und einem Mitglied des Ausschusses korrespondierte, die Kritiken durchweg positiv ausfielen und der Film infolge seiner hohen Qualität die o.g. Prämie der Bundesregierung erhielt, rückte der Hauptausschuss nicht von seiner Meinung ab und verweigerte dem Riemenschneider-Film das höchste Prädikat.
Die Ausstellung widmet sich sowohl dem Kulturfilm als auch etwa 60 Fotografien aus dem Zyklus, die Alfred Ehrhardt parallel zu den Dreharbeiten anfertigte. Hierbei werden auch seltene Original-Dokumente erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.