Die Ur-Matrix Wasser ist ein unerschöpfliches Reservoir an Symbolwelten, die unser kulturelles Gedächtnis prägen. In allen Kulturen gehört Wasser zu den Materien, die das symbolisch-sprachliche Deutungsfeld seelischer Erlebnisse geprägt hat. In der mythopoetischen Geschichte ist Wasser das Unbewusste und das Reich der Träume, es ist der Abgrund, dem Venus, Nymphen und Undinen entsteigen. Wasser ist Eros. Es enthält den Tod und gebiert alles Leben. »Es gibt kein Gefühl, keine Kunst, kein Sprechen, kein Handeln, keine gesellschaftliche Einrichtung, keinen Raum auf dieser Erde, der nicht materiell oder symbolisch, direkt oder indirekt mit dem Wasser zu tun hat,« schreibt Hartmut Böhme dazu in seiner Kulturgeschichte des Wassers.
Mit seiner Serie Fluss erfasst Michael Lange einen Naturraum entlang des Oberrheins, der von permanenter Veränderung geprägt ist. »Meine Bilder erzählen von der Sehnsucht nach Befriedung, Tiefe und Schönheit und vom Verlangen, sich zu verlieren. Teil meiner Arbeit ist, der unablässigen Veränderung zu folgen, bis eine Landschaft mit meinen inneren Bildern im Einklang ist, die meinen Gefühlen entspricht. Im vermeintlichen Chaos die tiefe, innen wohnende Ordnung und Ästhetik verstehen. Die Landschaft in Kombination mit den äußeren Einflüssen – Nebel, Frost, Jahreszeiten, Licht, Wasserstand – entsprechend meinen Phantasien zu transformieren, mit den Elementen spielen, sie fortführen und mit meiner fotografischen Sprache kombinieren.«
Michael Lange folgte dem Thema über drei Jahre und blieb oft wochenlang inmitten dieser besonderen Landschaft entlang des Rheins, überwiegend im Spätherbst. Die Ruhe der Bilder lebt von seiner genauen Kenntnis naturimmanenter Spannungen, die besonders den fließenden, sich ständig wandelnden Gewässern eigen sind. Bei aller Leichtigkeit und Anmut lassen die scheinbar regungslosen Wasseroberflächen ihre darunter verborgenen Untiefen erahnen. In den atemberaubenden, abstrakten Details seiner agitierten Oberflächen entfaltet der Fluss, dessen Vordringen in diesen Gebieten kaum Schranken gesetzt sind, seine ganze treibende, den eigenen Gesetzen folgende, formende Kraft. Mit feinsten Schattierungen und Farbabstufungen entstehen Kompositionen von atmosphärischer Dichte und konzentrierter Klarheit.
Michael Lange fotografiert seit 1973. Zu seinen Projekten zählen u. a. L.A. – Drive-by, Desert – Kalifornische Wüsten, Frauen des Lamani Stammes sowie Wald – Landschaften der Erinnerung. In zahlreichen nationalen wie internationalen Ausstellungen und Fotofestivals vertreten. Michael Lange lebt in Hamburg.