Detlef Orlopp, Jahrgang 1937, kann auf 50 Jahre fotografische Arbeit zurück blicken. Anlass für die umfassende Retrospektive mit etwa 100 Fotografien in der Alfred Ehrhardt Stiftung und im Forum für Fotografie ist sein 70. Geburtstag im Februar 2007.
Detlef Orlopps Fotografien sind verhaltene Bilder, die sich dem schnellen Blick verweigern und die Erfahrung des wiederholten Sehens benötigen. Man muss diesen Bildern Zeit geben, damit sie sich entfalten können. Man muss ihre Fremdheit erst durchdringen, ehe sie sich öffnen. »Die große Schönheit ihrer Nuancierungen und ihrer formalen Rhythmik kann nicht über diese Fremdheit hinwegtäuschen, macht sie vielleicht nur tiefer«, beschrieb Helmut Heißenbüttel den verschlossenen Charakter von Detlef Orlopps zarten Seestücken und monolithischen Berglandschaften.
Die klassische Bildgattung »Landschaft« greift allerdings für die wenigsten dieser Fotografien. Orlopp wählt vielmehr Ausschnitte aus der Erdoberfläche, deren gegenständlichen Ursprung er verbirgt. Die Weiträumigkeit der Landschaft wird reduziert auf eine die Tiefenperspektive negierende Bildfläche. Der mangelnde Größenvergleich lässt eine bildliche Neuordnung entstehen, die in ihrem Abstraktionsgrad zur formalen Verselbständigung führt. Orlopps Landschaftsausschnitte sind zeit- und raumlose, zu strukturellen Bildelementen umfunktionierte Abstraktionen.
Orlopps erste Landschaftsfotografie entstand 1957 – vor nunmehr genau fünfzig Jahren. Seitdem bereichert und erweitert jedes neue Bild seine systematische Erkundung eines Formkanons, der seine ästhetischen Prinzipien nicht nur aus dem Programm der Fotografie schöpft. Ursprünglich wollte Orlopp Architekt werden, weil ihn schon früh Vorstellungen des Konkreten bewegten. Er ging jedoch 1955 in eine Fotolehre und gelangte 1956 an die Staatliche Werkkunstschule in Saarbrücken, wo er bei Otto Steinert studierte, dem in Westdeutschland einflussreichsten Mentor der Fotografie der Nachkriegszeit. Er folgte diesem 1959 an die Folkwangschule für Gestaltung nach Essen, wo er ein Semester lang als Mitarbeiter tätig war. 1961 erhielt er einen Lehrauftrag an der Werkkunstschule Krefeld, der später in eine Professur mündete, die er bis zu seiner Emeritierung innehielt. Steinert-Schüler ist Orlopp darin, dass er sich auf die fotoimmanente Abbildungsschärfe besann und einen diagnostisch-analytischen Stil entwickelte, den er selbst später als »Saphirkälte« bezeichnete. Er pflegte jedoch keine gestaltend-experimentelle, »subjektive Fotografie«, wie Steinert sie in Rückbesinnung auf die Avantgardefotografie der 1920er Jahre lehrte. Stattdessen hielt er sich stets an das konstruktive Prinzip des Baumeisters. Noch ausschlaggebender war der Eindruck durch die Malerei, den 1959 die Ausstellung abstrakter Expressionisten in Paris und die Documenta II hinterließen. Der Tachismus eines Wols, die »all-over« Struktur der drippings von Jackson Pollock, das Gestische eines Hans Hartung sollten das Liniengefüge seiner fotografischen Bilder vorgeben, die sich oftmals wie Pinselstriche ausnehmen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum Orlopp die Fotografie als extreme Beschränkung erfährt. Er versucht, die technischen Grenzen des Apparats zu überschreiten und konstruktive Prinzipien der Bildenden Kunst zu integrieren. Aus diesem Grund spricht er lieber von »Bildern« als von »Fotografie«. Anders als einem Maler, Bildhauer oder Architekten stehen ihm nur die Kamera und das Material, das die Wirklichkeit vorgibt, zur Verfügung. Da der manuelle Aufbau entfällt, muss er mit diesen Elementen sein Bild »bauen«. Orlopp versteht die »Partikel der Erde, der Materie und des Lichts« als seine Werkzeuge. Das fotografische Objektiv erlaubt den automatischen Durchgang der Lichtquanten, ohne die wir die Welt nicht sehen können. Nicht die Hand transportiert die Farbpartikel auf die Leinwand, sondern die Kamera transportiert die Lichtpartikel auf die Papierschicht.
Detlef Orlopps Fotografien sind Lichtzeichnungen, die den malerischen Gestus mit einem konkreten Bildaufbau verbinden. Sie sind Landschafts-Chiffren, die nicht Abbilder schaffen, sondern sich zu einer von der Wirklichkeit autonomen Bild-Realität konstituieren.