Kurator: Dr. Roland Jaeger
Der deutsch-jüdische Fotograf Fritz Block (1889–1955) war ein äußerst vielseitiger Exponent der Fotomoderne. Sein Werk reicht von der Neuen Fotografie der späten 1920er Jahre in Deutschland über die Reisefotografie der 1930er Jahre bis zur Farbfotografie der 1940er Jahre in den USA. Aufgrund seines Exils für lange Zeit in Vergessenheit geraten, erfährt dieser Fotograf nun eine Wiederentdeckung. Denn erstmals kann mit dieser Ausstellung aus dem Nachlassarchiv eine repräsentative Retrospektive seines Schaffens gezeigt werden. Sie umfasst 130 Schwarz-Weiss-Abzüge (vintage prints) und 20 Farbvergrößerungen nach originalen Farbdias sowie zahlreiche Druckbelege aus der fotoillustrierten Presse. Für diese ungewöhnliche Materialfülle wurde eine kompakte, filmstreifenartige Präsentationsform gewählt, die zugleich der Anordnung von Fotografien in Printmedien und Ausstellungen zur Zeit der Weimarer Republik nahe kommt.
Die Biografie des Fotografen ist ebenfalls facettenreich: Zunächst trat Block als engagierter Architekt des Neuen Bauens hervor. In Hamburg betrieb er ab 1921 mit einem Partner das Architektenbüro Dr. Block & Hochfeld. Die Dokumentation der Bauausführung eigener Gebäude führte ihn 1929 zur Fotografie. Mit der Kleinbildkamera ›Leica‹ richtete Block sein Foto-Auge im Sinne der Neuen Sachlichkeit auf technische Konstruktionen im Hamburger Hafen. Zugleich besaß er ein Gespür für die ausdrucksstarke Wiedergabe von Menschen, vom Werftarbeiter bis zum Zirkusclown. Naturkundliches Interesse bewies er mit seinen Fotos von Tieren, Studien von Pflanzen sowie Objekt- und Röntgenaufnahmen von Muscheln und Schnecken. Außerdem experimentierte Block mit Ausdrucksformen des Neuen Sehens und arrangierte seine Aufnahmen zu Fotoreportagen.
Seine Spezialität aber war die gleichfalls zeittypische Städte- und Reisefotografie. In Berlin betrachtete Block den Funkturm aus ungewöhnlichen Perspektiven. In Paris faszinierte ihn die Konstruktion des Eiffelturms ebenso wie das Leben in den Boulevard-Cafés oder auf dem Großmarkt Les Halles. In Marseille nutzte er den Pont Transbordeur für einen »Blick von oben« und an der Côte d’Azur hielt er das ungezwungene Strandvergnügen fest. Eine Rundreise durch die USA im Herbst 1931 fiel besonders ertragreich aus. In New York fotografierte Block die Skyline von Manhattan, Hochhäuser wie das gerade fertiggestellte Empire State Building, die Brooklyn Bridge und die neue George Washington Bridge, den Broadway bei Nacht, aber auch Menschen der verschiedenen Ethnien und die Schausteller von Coney Island. In Detroit entstand eine eindrucksvolle Serie von Aufnahmen der Ford-Fabrik, ihrer Schornsteine, Fließbandarbeit und Produkte.
Obwohl kein Berufsfotograf, wertete Block seine Fotos auch zur Veröffentlichung in der illustrierten Presse aus. In der Wochenbeilage der Tageszeitung Hamburger Anzeiger ist er Anfang der 1930er Jahre mehrfach mit Titelfotos und Fotoreportagen vertreten. Aufnahmen von ihm finden sich auch in Die Form, dem Organ des Deutschen Werkbundes, oder in fotografischen Jahrbüchern. Außerdem beteiligte sich Block 1930 an der Internationalen Ausstellung Das Lichtbild in München und 1932 an der Internationalen Foto-Ausstellung in Hamburg.
Allerdings war seiner fotografischen Karriere in Deutschland nur ein kleines Zeitfenster beschieden. Denn als Jude konnte Block seine Fotos hier ab 1933 nicht mehr publizieren (und auch als Architekt nicht mehr selbständig arbeiten). Er entschied daher, fortan nur noch auf seinen Auslandsreisen zu fotografieren: 1933 unternahm Block einen Zeppelin-Flug nach Brasilien, 1935 schuf er eine Bilderserie vom Petticoat Lane Market in London und 1938 diente ihm eine Kreuzfahrt um die Welt bereits zur Sondierung von möglichen Exilorten.
Ende 1938 emigrierte Fritz Block in die USA, wo er in Los Angeles die Fotografie zu seinem Hauptberuf machte und sich der Kodachrome-Farbfotografie zuwandte. In den 1940er Jahren produzierte und vertrieb er (in Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art in New York) neuartige Farbdia-Serien mit eigenen Aufnahmen von Bauten und Interieurs der Architekturmoderne in Kalifornien sowie von Formgestaltungen in Kunst, Technik und Natur für einen zeitgemäßen Kunstunterricht in den Vereinigten Staaten – eine singuläre, bisher übersehene Einzelleistung im Bereich der Exilfotografie.
Mit ihrer Block-Ausstellung macht die Alfred Ehrhardt Stiftung das Foto-Auge eines außergewöhnlichen Fotografen wieder sichtbar.