Nachdem der am Dessauer Bauhaus geschulte Musiker, Maler und Kunstpädagoge Alfred Ehrhardt (1901–1984) durch die Nationalsozialisten aus dem Hochschuldienst entlassen wurde, wandte er sich ab 1933 der Fotografie und ab 1937 dem Film zu. Für seine über fünfzig Kultur- und Dokumentarfilme erhielt er in den 1950er und 60er Jahren vier Bundesfilmpreise und zahlreiche internationale Auszeichnungen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erfuhr die Sparte des Kulturfilms einen starken Aufschwung. Die Lichtspielhäuser wurden per Verordnung dazu verpflichtet, mit jedem Spielfilm auch einen Kulturfilm zu zeigen und ein vorgegebenes Kurzfilm-Kontingent zu erfüllen. 1938 wurde die Wochenschau obligatorisch. In den ersten drei Kriegsjahren erfuhr die kulturfilmerische Betriebsamkeit im III. Reich ihren Höhepunkt, bevor ab 1941 fast nur noch kriegsrelevante Thematiken behandelt wurden.
Mit seinen Landschafts- und Skulpturenaufnahmen wie auch mit seinen ersten beiden Filmen über das Watt und Island hatte sich Ehrhardt noch weitgehend an der Peripherie des nationalsozialistischen Systems bewegt. Doch mit Ausbruch des 2. Weltkriegs und Gründung der Deutschen Kulturfilmzentrale 1940 wurden die Spielräume in der gleichgeschalteten Filmbranche eng. Fortan musste jeder Produzent sein Projekt einreichen und von der Kulturfilmzentrale, die unmittelbar dem Goebbelsschen Propagandaministerium unterstand, genehmigen lassen.
Gemeinsam mit dem flämischen Dichter und Befürworter eines gesamtdeutschen Kulturkreises Cyriel Verschaeve bereiste Ehrhardt 1941 das im Mai 1940 annektierte Belgien. Er drehte die beiden TOBIS-Kulturfilme Flanderns germanisches Gesicht und Leinen aus Kortrijk, die in München während der ersten, von der Deutschen Kulturfilmzentrale organisierten »Reichswoche für den deutschen Kulturfilm« Premiere hatten, bevor sie auch in Belgien gezeigt wurden. Dieses Festival diente unter anderem dazu, professionellen Regisseuren zu demonstrieren, wie sich politische Botschaften im Kulturfilm artikulieren können. Wie bereits 1938 in Island, hatte Ehrhardt während der Dreharbeiten auch fotografiert, und diese Aufnahmen mündeten 1943 in die Buchveröffentlichung Ewiges Flandern, für die Verschaeve den Begleittext verfasste.
Alfred Ehrhardts Film Flanderns germanisches Gesicht beginnt mit den Worten: »Wir sind Germanen, keine Lateiner, ruft ein flämischer Dichter seinem Volke zu« – ein Hinweis auf die Behauptung, dass die flämische Bevölkerung mehr mit dem Germanischen als mit dem Romanisch-Wallonischen gemeinsam hätte. Der Film propagiert, dass die Geschichte und Kultur Flanderns germanischen Ursprungs sei und dass sich der Wohlstand des Landes ausschließlich in Zeiten deutsch-flämischer Verbindungen entwickelt habe. Um diese These zu untermauern, werden Ähnlichkeiten zwischen flämischer und deutscher Städtearchitektur aufgezeigt, wie die zwischen dem Holstentor von Lübeck und dem Genter Rabot Schleusentor. Bezüge zum romanisch-wallonischen Belgien werden ausgelassen. Das flämische Erbe wird ausschließlich auf seinen germanischen Ursprung zurückgeführt, wobei »germanisch« mit »deutsch« gleichgestellt wird. Weitläufige kulturhistorische Gemeinsamkeiten werden aus ihrem historischen Kontext gelöst und selektiv dargestellt. So wird etwa betont, dass Peter-Paul Rubens in Siegen geboren wurde und in Köln zur Schule ging, aber es wird nicht erwähnt, dass er flämische Eltern hatte und mit 10 Jahren nach Antwerpen zog, lange bevor seine künstlerische Erziehung begann. Mit diesem Film lieferte Alfred Ehrhardt eine kulturgeschichtliche Legitimation für die Einverleibung Flanderns in das Großdeutsche Reich und warb um Unterstützung des Nationalsozialismus von belgischer Seite. Der Text von Cyriel Verschaeve im Buch Ewiges Flandern zielt in die gleiche Richtung.
Alfred Ehrhardts Film und Buch über Flandern stellen seine einzige veröffentlichte Arbeit mit deutlichem propagandistischen Hintergrund dar. Er entschied sich, in Deutschland zu bleiben, obwohl er aufgrund seiner modernistischen Kunstauffassung 1933 den nationalsozialistischen Kultursäuberungen selber zum Opfer gefallen war. Wie er in einem kurz nach dem Krieg verfassten Lebenslauf schrieb, wollte er sein Land nicht verlassen, um sich, »der katastrophal entwickelnden kulturellen Situation entgegenzustellen«. Diese Propagandaarbeit wirft jedoch ein anderes Bild auf seine Tätigkeit zwischen 1933 und 1945. Auch Alfred Ehrhardt unterwarf sich den politischen Zwängen der gleichgeschalteten Filmbranche und ließ sich von der perfekt funktionierenden Propagandamaschinerie instrumentalisieren.