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Der gebürtige Triptiser Alfred Ehrhardt (1901-1984) ist einer der wenigen Bauhaus-Schüler, der ausschließlich als Filmemacher und Fotograf sein Geld verdient hat. Im Jahr 1948 gründet er mit Unterstützung der britischen Besatzungsbehörden in Hamburg seine eigene Kulturfilm-produktionsgesellschaft. Zu seinen ersten Nachkriegswerken zählen neben einem Film über den Bordesholmer Altar in Schleswig ein zweiteiliger Kulturfilm über Leben und Werk des deutschen Bildhauers, Zeichners und Schriftstellers Ernst Barlach (1870-1938). Ehrhardt gilt zu dieser Zeit als der „bedeutendste deutsche Nachkriegs-Kulturfilmschöpfer“.
Dem Werk Ernst Barlachs hätte Alfred Ehrhardt sich vor 1945 unmöglich zuwenden können. Der Künstler war von den Nationalsozialisten 1937 mit einem generellen Ausstellungsverbot belegt und seine Werke aus dem öffentlichen Raum entfernt oder zerstört worden, bevor er 1938 verstarb. Christiane Fricke schreibt über diesen Film: „Er verkörpert alles, was für die Deutschen in jenen Jahren wichtig war: Er funktionierte als symbolische Wiedergutmachung ebenso gut wie als Rehabilitation, er leistete – stellvertretend für die Nation – Trauerarbeit, er wirkte tröstlich und kämpferisch zugleich und beeindruckte nicht zuletzt in seiner stilistischen Konsequenz, was er heute noch tut. Am erstaunlichsten sind die langen, ruhigen, manchmal bis zu 30 Sekunden langen Einstellungen, die jedes einzelne Werk in seiner statuarischen, blockhaften Verfassung bestätigen. […] Selten ist dem Betrachter in der Geschichte des Films über Kunst so viel Muße zum Schauen gegönnt worden.“
Erklärende Worte werden im Film, der Ende September 1949 bei der Augsburger Filmklub Tagung uraufgeführt wurde, bewusst vermieden. Stattdessen erhält der erste Filmteil des halbstündigen Films musikalische Untermalung mit dem zweiten Satz der fünften Symphonie Tschaikowskis, der zweite Teil mit Musik von Anton Bruckner. In beiden Filmen zeichnet Alfred Ehrhardt sowohl für Buch, Regie, Kamera als auch für den Schnitt verantwortlich.
Der erste Teil trägt den Titel Der Kämpfer und widmet sich dem Frühwerk Barlachs, das sich mit dem „Mensch in der Moderne“ auseinandersetzt, mit dem einsamen Menschen, mit dessen Angst, Schrecken und auch dem Tod. So erfasst Ehrhardt beispielsweise den vorstürmenden Rächer, die Plastik, mit der Barlach 1914 auf den Ausbruch des Ersten Weltkrieges reagiert hat, einleitend aus einer leicht zur Seite geneigten Kameraposition. Er interpretiert in der letzten Einstellung dieser Sequenz die Aggressivität der Figur, indem er ihre Handlungsachse und die Blickachse des Zuschauers nach einer Drehung frontal aufeinandertreffen lässt. Ehrhardt setzt diese Themen filmisch so in Szene, dass Barlach diese „Dämonen des Lebens“ überwindet und den Weg zur Erlösung in der Skulpturengruppe Das Wiedersehen, Christus und Thomas findet. Die Schnitzerei, die er 1926 in Nussbaumholz fertigte, wird zum markanten Grenzwerk in Barlachs zweigeteiltem Schaffen: Thomas mit seinem gequälten, zweifelnden und Hilfe suchenden Gesicht ist bezeichnend für die erste Schaffensphase Barlachs, während der friedvolle, weit in die Ferne schauende Christus das Sinnbild für Barlachs Mitte der 1920er Jahre beginnendes Spätwerk ist. Dieser Epoche widmet sich der zweite Teil des Films mit dem Titel Der Überwinder. Der Film steht im Zeichen des Siegeszuges des Bösen, des Frieden-Schließens mit sich selbst und schließlich der Erlösung. Ehrhardt greift darin vorwiegend Barlachs zyklische Werke wie die Wandlungen Gottes, die Gemeinschaft der Heiligen (Westfassade der Katharinenkirche Lübeck) oder den Fries der Lauschenden auf.
Für Der Kämpfer, der mit dem Prädikat „Besonders Wertvoll“ ausgezeichnet wird, erhält Alfred Ehrhardt 1951 seinen ersten Bundesfilmpreis, einen achtkantigen silbervergoldeten Pokal sowie ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Deutsche Mark für einen besonders wertvollen Kulturfilm. Übertroffen wird diese Auszeichnung durch die Verleihung des 1. Preis in der „art category“ auf der XI. Filmbiennale von Venedig 1950, als man deutschen Regisseuren im Ausland nur vereinzelt Gelegenheit zur Teilnahme gibt. Der zweite Teil Der Überwinder erhält nur das Prädikat „Wertvoll“, gewinnt aber den 1. Preis der Internationalen Filmfestspiele von Sao Paulo für die „beste Fotografie“. Wie der Kritiker Fried Maximilian am 29. September 1949 in der Zeitung DIE WELT bemerkt, gebraucht Ehrhardt „das Licht meisterhaft, indem alle Bewegung von ihm ausgeht, es tastet über Kanten und Rundung des Holzes, nimmt und gibt dem Bildwerk Tiefe und Ausdruck, um endlich schwingend den Beschauer atemlos zurückzulassen.“ Im Laufe seines Lebens soll Ehrhardt noch zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen erhalten, darunter insgesamt vier Bundesfilmpreise.
Teil der Ausstellung sind sowohl der zweiteilige Film als auch Fotografien aus diesem Zyklus, die Alfred Ehrhardt parallel zu den Dreharbeiten angefertigt hat.